
Objekt der Könner – Fachwerkwand mit Lehmausfachungen
Könnerschaft im Handwerk erweist sich auch in der Langlebigkeit der hergestellten Dinge – wie in dieser Fachwerkkonstruktion. Sie stammt in wesentlichen Teilen aus dem Erbauungsjahr 1309/10. Nicht nur die Holzkonstruktion, sondern auch ihre zeittypischen Lehmausfachungen sind zum Teil noch im Originalzustand erhalten.
Lehm ist ein Allerweltbaustoff. Er kommt fast unbegrenzt in der Erdoberfläche vor und kann ohne Schaden für Mensch und Umwelt verbaut und wiederverwertet werden. In Südniedersachsen wurde er über Jahrhunderte zum Bau von Fachwerkgebäuden genutzt.
Lehm besteht aus Ton, Sand und Schluff – Gesteinen in drei unterschiedlichen Korngrößen. Er bindet nicht chemisch ab, sondern erreicht seine Festigkeit durch langsame Trocknung. Durch seine Fähigkeit, Feuchtigkeit aufzunehmen und abzugeben, hält Lehm das Holz dauerhaft trocken und gesund. Wie hier an der Wand zu sehen, harmonieren Holz und Lehm als Baustoffe dauerhaft.
Seit dem späten 19. Jahrhundert wurde die Verwendung von Lehm durch Innovationen der Baustoffbranche, wie Beton, verdrängt. Lehmbau fand in den Nachkriegsjahren in Deutschland keinen Eingang in die neu formulierten Ausbildungssordnungen des Handwerks. Das Wissen um die Nutzung des Materials blieb informell, wurde nicht kodifiziert und schwand mit dem Ableben vieler Handwerker, bis es seit den 1980er Jahren im Zuge wachsender Diskussionen über nachhaltiges Bauen allmählich reaktiviert wurde.
Heute ist vielfach von einem Lehm-Revival die Rede. Wissensspeicher bei der Wiedergewinnung des Know-how waren Häuser wie dieses, die das Erfahrungswissen mittelalterlicher Handwerkskönner als dingliche Quelle überliefern.

Audiostation
Reinhard Bornemann (Zimmermeister und Restaurator im Handwerk), Christian Hagemann (Dachdecker, Zimmermann und Lehmbauer) sowie Frank Högg (Kunsthistoriker, Dachdecker und Bauforscher) haben bei der Restaurierung dieses Hauses Hand angelegt.